Der „Öcher Cem“ begeisterte
die Aachener Narren
28. JANUAR 2013, 20.15 UHR – ARD
Ihren Ruf als politischste unter den Spitzenveranstaltungen des deutschen Karnevals hat die Festsitzung zur Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“ eindrucksvoll untermauert. Beißender Spott und klare Kante, hintergründiger Humor und satirische Seitenhiebe waren Trumpf bei der Übertragung der Ritterwürde auf Cem Özdemir am 26. Januar im Aachener Eurogress. Der 47-jährige Parteivorsitzende war nicht nur der erste Grüne im Narrenkäfig, sondern ist jetzt auch der erste Ritter des „Ordens wider den tierischen Ernst“ mit türkischen Wurzeln.
Özdemir, der als 63. Ritter auf den bayrischen Pfundskerl Ottfried Fischer folgt, zeigte sich bei seinem dritten Auftritt auf der Aachener Bühne – dem ersten im Narrenkäfig – glänzend aufgelegt. „Ich bin zwar gut zu Fuß, aber eingewandert bin ich nicht“, klärte der gebürtige Schwabe auf, kam aber am Thema Migration und Integration nicht vorbei: „Seit der Beschneidungsdebatte im letzten Jahr hatte ich ständig das Gefühl, ein Stück Illegalität in meiner Hose zu führen“, bekannte er. Oder, fußballerisch gesagt: „Mit hängender Spitze kann ich nicht mehr spielen!“
Ritter Cems Vorgänger Ottfried Fischer, der im vergangenen Jahr die Auszeichnung für seinen humorigen Blick auf die kleinen und großen menschlichen Schwächen erhielt, konnte gleich doppelt glänzen – durch Anwesenheit im Saal und seine Präsenz auf der Leinwand: In der Paraderolle als Pater Brown durchstöberte Fischer im Video-Einspieler des neuen Preisträgers Zimmer und förderte dabei Erstaunliches zutage: Selbst ein paar Ersatzkoteletten fand der findige Hobbydetektiv in Cem Özdemirs Sachen.
Die ehrenvolle Aufgabe der Laudatio freilich hatte Fischer an einen echten Lokalmatador delegiert: Der aus Würselen bei Aachen stammende EU-Parlamentspräsident Martin Schulz nutzte sein „Heimspiel“ im Eurogress zum humoristischen Hohelied auf Cem Özdemir und entlarvte seinen Freund aus gemeinsamen Zeiten im Europaparlament als Schwarz-Grünen: Ich weiß genau, was Cem Özdemir auf Deutsch heißt: Armin Laschet!“ Warum er mehr als nur die Aachener Ritterwürde verdient habe, wusste Schulz genau: „Mit der Selbstverständlichkeit, mit der dieser Mann Deutscher ist, hat er mehr für dieses Land getan als jede Integrationsdebatte.“
Und so standen nach dem kabarettistischen Schwergewicht des vergangenen Jahres diesmal vier echte politische Schwergewichte auf der Öcher Bühne: Neben Ritter Cem und Laudator Martin Schulz gaben auch noch Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer als saarländische Küchenchefin und der Schleswig-Holsteinische FDP-Chef Wolfgang Kubicki („Ich werd´ zu jeder Sendung geh´n, Hauptsache ich bin zu seh´n“) ihr jeckes Debüt in der Bütt. Angekündigt wurden die Auftritte übrigens von Tagesschau-Sprecher Jens Riewa, der neben seinem Co-Moderator Rolf Gerrards den Spagat zwischen Politik und Jeckerei locker meisterte: Das „Oche Alaaf“ ging dem Hamburger Jung´ bei seiner Premiere jedenfalls schon ziemlich leicht über die Lippen.
Übertragen wurde die Prunksitzung, die Kimmig Entertainment in diesem Jahr zum dritten Mal in Folge im Auftrag des WDR produzierte, am Montag, 28. Januar, ab 20.15 Uhr im Ersten.